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Der Turin-Nizza-Rallye auf der Spur

Ein Monument. Wenn es eine Ruhmeshalle für Geländerouten geben würde, die mit den fünf berühmtesten Monumenten des modernen Radsports konkurrieren könnte, dann könnte die Rallye Turin-Nizza Sie sicherlich für sich beanspruchen, und das war genau das, was uns Angst machte. Doch anstatt uns Gedanken zu machen, dass wir es eventuell nicht schaffen, sind Sophie und ich uns alles andere als sicher, dass wir diesem Brocken, der vor uns liegt, würdig sind. Diese Gedanken beschäftigen uns, während wir entlang der sich windenden Straßen der Lanzotäler fahren.

Wir verlassen Turin unversehrt. Ein Kaffee-Amaretto, ein paar Aufwärmübungen, um uns auf die Tour vorzubereiten, und schon sind wir im Tal, in dem die Turin-Nizza-Rallye stattfindet. Ohne Vorwarnung, gerade als ein großer Sturm uns mit der Einfachheit und Kürze eines simplen Hallos begrüßt und sogleich durchnässt, führt die Route nach links, und unser GPS zeigt eine Steigung von 18 % nach lediglich ein paar dutzend Metern an.

Der Colle del Colombardo ist nicht sonderlich bekannt und das aus einem guten Grund: Seine Asphaltierung nimmt ein schnelles Ende. Trotzdem, ist dies unsere Zugangspforte zu einem einwöchigen Abenteuer, das Mut erfordert. Wir verbringen einen epischen Nachmittag, an dem wir abwechselnd im langsamen Tritt-Rhythmus fahren und unser Bike schultern, während über uns nicht allzu weit entfernt ein Sturm grollt. Die Route hat sich vorgestellt.

Wir sehen die Herausforderung nicht als unser schlussendliches Ziel an, sondern wir genießen die Anstrengung und wir verstehen aus vollem Herzen, dass große Momente verdient sein wollen, und trotzdem klettern wir selten, nur weil es uns Spaß macht. Die erste Belohnung, die wir uns verdienen, ist eine schlichte: ein 50 cm hoher Steinhaufen am Gratweg, der nach dem Colombardo rechts ausschert und uns auf 2100 Höhenmeter bringt. Keine Schilder, keine Souvenirs, lediglich die Natur in ihrer unverfälschtesten Form, und wir sind alleine hier, um sie zu schätzen.

Für uns ist die Turin-Nizza-Rallye in eine Serie an Triptycha, dieser dreigliedrigen Gemälde, untergliedert. Zuerst kommt die hochintensive Periode, die uns an unsere Grenzen bringt. Dann kommt die Belohnung, die nicht allein aus dem soeben Erreichten besteht, sondern uns auch erlaubt, das Land aus großer Höhe zu betrachten. Schließlich kommen die langen Phasen in denen der Druck nachlässt, man im Zickzack-Kurs fährt und meistens wieder in einem Tal endet. Während wir dieses kleine Spiel mitmachen, erklimmen wir die Nordseite des beeindruckenden Colle delle Finestre, bevor wir zum Assietta abbiegen. Erst der Pass und dann die Straße – für zwei unglaubliche Stunden befinden wir uns auf dem Dach Europas. Es ist unvorstellbar, was so ein simples Zweirad einem bieten kann. Wir hatten keine Chance uns sorgfältig vorzubereiten, obwohl wir die Fotos von denen, die vorher hier waren, gesehen haben. Vielleicht haben wir ihnen nicht vollends geglaubt, bevor wir hier hingekommen sind, allerdings ist es wahr.

Die Turin-Nizza-Rallye ist sowohl Route als auch Prüfung. Sie ist definitiv geschaffen für den Off-Road-Radsport und das Bikepacking, sei es Gravel- oder Mountain-Biking. Die Strecke bietet eine lange und anschauliche Hommage für all die großartigen Straßen-Routen inmitten der Alpen. Wir fahren von Montgenèvre über den Izoard zum Agnel, (dem höchsten Punkt der Reise) und schließlich bis nach Sampeyere in zwei Tagen. Die letzte Abfahrt bringt uns über einen alternativen Weg der offiziellen Route herunter entlang des Tals von Elva. Dieser Weg ist heute für Autos gesperrt. Auf der kleinen ramponierten Straße mit verschlissenen Gattern kommen wir vorsichtig voran und legen immer wieder Stopps ein. Doch klagen wir nicht, da wir zu beschäftigt damit sind, darüber zu staunen, dass ein solch wunderschöner Ort wirklich existiert. Die Glühwürmchen des Valle Maira heißen uns mit offenen Armen in diesem bezaubernden Paradies willkommen, in dem wir unsere Nacht im Freien verbringen werden.

Als wir aufwachen, steht der Tag an, mit dem wir bei der Reisevorbereitung Planungsschwierigkeiten hatten. Diesen Tag haben wir von Beginn an gefürchtet. Der Anstieg des vierten Tages kostet uns Stunden, unter denen wir unsere Fahrräder für die meiste Zeit schieben. Wir werden von Wanderern mit Trekkingstöcken überholt, die auch Probleme haben, sich diesen steilen, felsigen Berg hoch zu schleppen. Es ist schwierig auszumachen, ob sie uns für Helden oder Verrückte halten, allerdings müssen wir zugestehen, dass der Grat zwischen beidem ziemlich schmal ist. Weder Sophie noch ich fühlen sehr zu unserer Überraschung, dass unsere mentale Stärke nachlässt. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass in dieser Phase unser Unterbewusstsein dieser Route blind vertraut, der wir nun seit 300 km folgen. Zu was auch immer das Nutze sein mag!

Nun zu dem Abschnitt, den alle „Little Peru“ nennen und das aus gutem Grund. Die Strada Della Gardetta liegt neben einer Berghütte mit gleichem Namen, die offenbar sehr beliebt ist. Diese Straße wird sicherlich der epischste Moment unserer Reise werden. Eine Ebene durch alpines Weideland, die nahezu menschenlos ist und deren Hügel sich auf einer Höhe zwischen 2300 und 2500 m wellen. Das Mineral der Ebene ist unstabil und zeigt sich Stück für Stück, als wir uns auf einem anspruchsvollen Pfad befinden, der jedoch keine technischen Schwierigkeiten aufweist. Es ist nicht nur die Schönheit dieses Ortes, es ist seine Erhabenheit, nach der man sich den Kopf verdreht. Man benötigt einen ganzen Nachmitttag, um seine Wirklichkeit zu begreifen.

Der Anstieg nach Tende führt uns zunächst entlang der Straße aus Italien, danach geht es weiter über einen Teil der Via del Sale, die unser Ticket zurück nach Frankreich verkörpert. Eine neue Abfahrt eröffnet sich vor uns, und auch sie ist einer der Gründe, warum wir hier sind. Die Route wird heute „Kamoot Torino-Nice Rally“ genannt, und es ist unsere Mission ein paar ihrer neuen Strecken zu testen - Änderungen, die aufgrund der Fluten durch Sturm Alex im Roya-Tal notwendig wurden. Während wir der nächsten Haarnadelkurve der atemberaubenden Route vorsichtig folgen, kommt Tende in Sicht. Tende ist eine malerische Stadt, die so aussieht, als würde sie sich am Rande der Welt befinden und wegen der letzten Hochwasserschäden zum Schlaf verdammt sein.

Die Gegend scheint wie unter einem Schleier zu sein und zu warten. Ihre Wunden sind noch immer offen, und wir können sie fühlen. Wir müssen während unserer Talfahrt nach Breil-sur-Roya umkehren und sind dadurch gezwungen den Zug in Richtung Col de Turini zu nehmen, der eigentlichen Zugangspforte in die Region um Nizza, über den historischen Weg von la Maglia (25 km zumeist auf losem Grund).

Ein Sturm zieht 2 km vor der Spitze des Authion auf, direkt über dem Pass. Alles ist episch in diesem Moment: Eine heiße Schokolade, ein Abstieg herunter zum Anstieg (Ja, es ist möglich!) und ein Biker Hotel etwas später. Wir entscheiden uns auch dafür, über die Straße zurück nach Nizza zu fahren.
Apart from the buildup of fatigue, there is something else at play: is it possible to have ‘over liked’ what we’ve experienced? Should we have ended this adventure early due to Stendhal syndrome?

Außer Ermüdungserscheinungen könnten wir noch unter etwas weiterem gelitten haben: Könnte es sein, dass wir das, was wir erfahren haben allzu sehr mochten? Hätten wir dieses Abenteuer aufgrund des Stendahl-Syndroms vorher beenden sollen?

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