Camille McMillan erklärt, wie das größte Rennen der Welt Auslöser für das Further Konzept wurde.
Henri Desgrange hat noch immer seine Initialen auf dem gelben Trikot. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob er das aktuelle Rennen so sehr mögen würde. Ich habe das Gefühl, dass er mehr an den The Barkley Marathons oder dem Transcontinental-Radrennen interessiert wäre. Desgranges Traum war ein autonomes Rennen. Er wollte selbstständige Radrennfahrer, Fahrer, die ihre Grenzen sowohl als Fahrer, als auch als Menschen kennenlernen. Für ihn gäbe es beim perfekten Rennen nur einen, der das Rennen vollendet. Das Rennen würde durch die Anstrengung eines heroischen Individuums gewonnen werden.
Die Radrennfahrer hatten jedoch andere Pläne. Der Kampf zwischen Desrange und den Fahrern war legendär. Die Fahrer wollten sich versammeln, zusammenarbeiten, Teams bilden und Vereinbarungen treffen. Verhaltensregeln zwischen den Fahrern entwickelten sich, Ausbrüche und Staffelungen formierten sich. Das moderne Radrennen an sich entwickelte und etablierte sich. Desgrange versuchte zu steuern und das Rennen nach seiner Vision zu formen. Doch die Macht des Geldes und des ‚Professionalismus‘ gewannen. Wenn er nur über Satelliten und Spot Tracker verfügt hätte. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich liebe es, wie sich Radrennen entwickelt hat. Ich liebe aber auch die Geschichte und die Rituale des goldenen Zeitalters des Radsports sowie dessen brillante Taktiker, die Giganten des Radsports, die majestätische Athleten waren und regelrechte Meister des Schachs.
Ich sah, wie sich die Radrennwelt veränderte, von Wollshorts zum Lycra und sah wie die großen Touren sich wandelten von “Stars und Wasserträgern” (Jørgen Leth) hin zu Celebrity All-Stars, zum Zeitalter der großen Daten, des Rennfunks und der DNA. Die großen Touren schwankten vom Schach zu den Checkern - oder etwa nicht?
Tour de France 2019, Etappe 15, Limoux > Foix Prat d’Albis. Ich habe mir die Tour Route nicht wirklich angekuckt. Ich wusste, die Tour würde nach Ariège kommen und dass das Etappenziel in der Nähe meines Wohnorts bei Prat d’Albis liegen würde. Weiter habe ich aber nicht darüber nachgedacht.
Die Tour de France kommt immer nach Ariège. Um ehrlich zu sein, war die Tour de France auch der Grund, warum ich dorthin gezogen bin. Ich kam als motoradgestützte Fotografin hierher und verliebte mich in diesen Ort. Allerdings habe ich seit 2012 keine Tour de France mehr verfolgt. Mein Fokus liegt mehr auf den Bergen und dem Leben in den Pyrenäen, und mein Interesse fürs Radrennen beschränkte sich schließlich lediglich auf das Transcontinental-Rennen. Diese neue Art Rennen zu fahren erlangte einen Stellenwert in meiner Fantasie, die die Tour de France einfach nicht mehr erlangte. Einfach alles über Transcontinental befeuerte meine Leidenschaft für den Radsport erneut. Ich wollte auch ein Rennen mit Spot Trackern initiieren. Mein Wunsch war es etwas zu schaffen, das Desrange gefallen hätte. Das ist zumindest teilweise das, was Further ausmacht.
In den letzten Monaten habe ich verschiedene Strecken studiert und versucht den richtigen Pfad, der sich in und um Ariège schlängelt auszumachen. Man könnte das Rennen als die Tour von Ariège bezeichnen, in dem die Landschaft und der Ort den Fahrern nahegebracht werden. Bei Further geht es nicht um Gravel , auch nicht darum des Gravels wegen das Rennen fortzusetzen oder Fahrradwanderungen zu unternehmen, weil das gerade der Trend ist. Es geht vielmehr darum Ariège kennenzulernen.
Als ich Abschnitt 15 der Route betrachtete, fiel mir zu meiner großen Überraschung Montségur auf, das nahe an meiner Further Route lag. Doch gibt es da einen erheblichen Unterschied. Beide Rennen erklimmen Montségur. Die Tour de France biegt aber bei Montferrier rechts ab und folgt dem Tal um das Massiv von Tabe. Further hingegen biegt bei Montferrier links ab. Wir erklimmen den Gipfel des Mont Fourcat. Furthers Route führt auch hinter Prat d’Albis nach oben. Further fährt dahin, wohin kein Support-Fahrzeug gelangen kann. Further kommt ohne Support aus. Further ist wie ein Abschnitt der Tour de France vor 100 Jahren mit einer Brise moderner Technik.